Wenn es einnachtet auf der Landiwiese, wenn die Sonne hinter der Albiskette versinkt, die Farben sich verdunkeln und die Welt sich auf das Zusammenspiel von Hell und Dunkel reduziert, wird er sich wieder in Bewegung setzen. Abend für Abend, ein Zug von Menschen, Maschinen, archetypischen Gegenständen und seltsamen belebten Objekten, der sich in der gut vierzig Meter langen Installation von William Kentridge zu den scheppernden, seelenvollen Klängen einer südafrikanischen Brass-Band langsam an den Betrachtenden vorbei bewegt. Sie scheint nicht abzubrechen, diese Parade, die an eine Prozession erinnert, aber auch an einen Protestmarsch. Oder ist es ein Totentanz? Die Landschaft rundherum wirkt verwüstet, ausgedörrt, verlassen. Kein Ort, um haltzumachen. Doch wo das Ziel dieser Menschen ist, bleibt offen, der Strom verliert sich im Dunkel. Während die einen sich müde und abgekämpft voranschleppen, tragen andere Fahnen und Transparente mit Parolen, wieder andere schreiten gemessenen Schrittes einher und halten Porträts von berühmten Männern und Frauen wie Votivtafeln über ihren Köpfen. Lastentragende Landarbeiterinnen, Politiker an Rednerpulten, Bürolistinnen an Schreibmaschinen, tanzende Priester, bewaffnete Freiheitskämpferinnen, Blasmusiker in ihren Uniformen und eine endlose Reihe von Versehrten, Gebeutelten und Kranken, die am Tropf von Kirche, Krieg und Kapitalismus hängen, bewegen sich auf ein unbekanntes Jenseits zu. «More Sweetly Play the Dance» hat William Kentridge sein monumentales Schattenspiel genannt. Er spielt damit an auf die Worte «Spielt süsser den Tod» aus Paul Celans berühmtem Gedicht «Todesfuge» über den Holocaust.
Es gibt wohl nur wenige Künstler seines Formats, die sich zum einen so klar politisch positionieren und sich gleichzeitig so virtuos und mit einer unverkennbaren Handschrift verschiedenster künstlerischer Ausdrucksformen bedienen, wie William Kentridge. Er hat als Regisseur Puppenspiele und Opern inszeniert, ist Zeichner, Plastiker, Bühnenbildner, Schattenspieler, Animationsfilmer, Autor und Performer. Das Theater Spektakel verbindet mit dem Künstler eine fast vierzigjährige Beziehung, die reich an Höhepunkten ist und sein Schaffen von den Anfängen als Regisseur der Handspring Puppet Company, über von ihm gezeichnete Animationsfilme bis zu seiner Spoken-Word-Interpretation von Schwitters’ «Ursonate» am vergangenen Theater Spektakel begleitet. Umso beglückender ist es, ihn mit dieser Installation, die etwas von einem politischen Vermächtnis hat und sein multimediales Können aufs Eindrücklichste vereint, auch in dieser Spezialausgabe des Festivals zu wissen. (esc)
More Sweetly Play the Dance | (2015), 8-Kanal-Video-Installation, Megafone, Musik |
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Video-Editing & Konstruktion | Janus Fouché |
Musikkomposition | Johannes Serekeho |
Musik | gespielt von der African Immanuel Essemblies Brass Band unter Bishop R.E. Sefatsa |
Gesang | Bham Ntabeni, Moses Moeta |
Perkussion | Tlale Makhene |
Soundmix | Gavan Eckhart |
Kostümdesign | Greta Goiris |
Choreografie & Tanz | Dada Masilo |
Kamera | Duško Marović |
Mit | Dada Masilo, Tlale Makhene, Bham Ntabeni, Thato Motlhaolwa, Mncedisi Shabangu, Luc de Wit, Joanna Dudley, Sue Pam-Grant, Lara Adine Lipschitz, Lawrence Maduna, Samson Falowo, Sipho Zungu, Sipho Seroto, Agnes Khunou, Maria Ndlela, Maphokoane Serobanyane, Okechukwu Adinnu, Thuthuka Sibisi, Matthews Phala, Stella Olivier, Motsamai Thabane und Mitgliedern der African Immanuel Essemblies Brass Band und der First St John Brass Band |
Erstpräsentation | Eye Film Museum, Amsterdam, 2015 |
Bild | © William Kentridge |
Loop 15 Min.