Wir müssen reden. Über das, was gerade nicht ist, über das, was in Zukunft sein könnte, und auch über das, was war.
Theater- und Tanzarbeiten entstehen oft in internationalen künstlerischen Teams und in Produktionsprozessen über Ländergrenzen hinweg. Für viele dieser Projekte sind translokale Konstellationen selbst ein Thema und transnationale Begegnungen werden zum Ausgangspunkt künstlerischer Arbeit und Forschung. Diese sind seit Monaten drastisch eingeschränkt und werden es noch für Monate sein. Auch für uns als Koproduzent in der internationalen Szene einerseits und als lokaler Kulturveranstalter anderseits, dessen Aufgabe es ist, Kunst und Öffentlichkeit zusammenzubringen und Perspektiven aus verschiedenen Regionen zu versammeln, stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen unserer Arbeit neu.
Darüber wollen wir reden – mit Kolleg*innen weltweit, um herauszufinden, was die aktuelle Situation für die verschiedenen Akteur*innen des internationalen Kunstbetriebs bedeutet und welche Ideen und Strategien in den letzten Wochen entstanden und ausprobiert worden sind. Über künstlerische Experimente und andere konkrete Erfahrungen und Lösungsansätze wollen wir drei Tage lang gemeinsam mit Expert*innen aus der ganzen Welt nachdenken. Die Gespräche führen Profis der Performing Arts aus allen Kontinenten zusammen.
Die sieben Sessions der Konferenz wurden aufgezeichnet und sind hier verfügbar.
Mit Virve Sutinen (Tanz im August) und Matthias von Hartz (Zürcher Theater Spektakel)
Do., 27. August, 14:00-14:10 (GMT +2)
Do., 27. August, 14:15-15:15 (GMT +2)
Im Gespräch: Samara Hersch (Theatermacherin, Melbourne) and Faye Driscoll (Choreografin, New York)
Moderation: Kyoko Iwaki (Wissenschaftlerin – Performing Arts, Tokyo)
Die darstellenden Künste sind ein Feld des Experimentierens mit, durch und um den Körper herum. Mit vor Ort stattfindenden Vorstellungen und Aufführungen werden Erfahrungen von körperlicher Kopräsenz, Sinnlichkeit, Intimität und menschlicher Verbindung geschaffen und erforscht. Die Notwendigkeit körperlichen Abstands (physical distancing) stellt eine grosse Herausforderung für die Praktiken der meisten darstellenden Künstler*innen dar. Um auch weiterhin Verbindungen zwischen Performer*innen und Publikum herzustellen, veränderte Formen gegenseitiger Aufmerksamkeit zu erzeugen und die körperliche Wahrnehmung zu verschieben, haben darstellende Künstler*innen in den letzten Monaten begonnen, sich in verschiedenen Ästhetiken, Präsentationsformaten und Medien zu erproben. In diesem Gespräch werden die Theatermacherin Samara Hersch und die Choreografin Faye Driscoll über ihre Erfahrungen mit der Herstellung von Intimität durch audiobasierte Performance-Setups sowie über Erkenntnisse und neue Perspektiven berichten, die sie während der Entwicklung und Präsentation ihrer Arbeiten für das Publikum online und zu Hause gewonnen haben. Mit «Guided Choreography for the Living and the Dead» hat Faye Driscoll eine Reihe von Audioarbeiten geschaffen, die die Zuhörer*innen dazu einladen, ihre Körper und deren Grenzen neu zu begreifen. Samara Hersch hat gemeinsam mit Jugendlichen im Lockdown eine Version ihres Theaterprojekts «Body of Knowledge» für Zuhause entwickelt. Im Gespräch über ihr künstlerisches Interesse an Nähe und Abwesenheit, Körper und Stimme, reflektieren die beiden Künstlerinnen auch über die Möglichkeiten und Grenzen des Performens auf Distanz und mittels technischer Erweiterungen.
Do., 27. August, 15:30-17:00 (GMT +2)
Im Gespräch: Rucera Seethal (Künstlerische Leitung National Arts Festival, Makhanda), Kee Hong Low (Kurator, Hong Kong International Black Box Festival, Hong Kong) und Sepehr Sharifzadeh (Mitbegründer Re-connect Online Performance Festival, Tehran)
Moderation: Dagmar Walser (Kulturjournalistin, Basel)
Seit Beginn des physischen Abstandsgebots (physical distancing), der Ausgangssperren und der verschärften Einschränkungen internationaler Mobilität, haben Institutionen, Produzierende und Kurator*innen der Performing Arts weltweit Strategien entwickelt, um ihre künstlerischen Programme an die neuen pandemiebedingten Umstände anzupassen und alternative Wege zu schaffen, Performer*innen und Publikum zusammenzubringen. Einige von ihnen mussten innerhalb weniger Monate ihre Arbeitsweisen und Kommunikationswege neu erfinden, andere bauten teilweise auf den Erfahrungen vorangegangener oder andauernder Krisen auf. Dieses Gespräch dreht sich um die Herausforderungen und Potenziale der Gestaltung von Festivals und anderen künstlerischen Live-Programmen in Pandemiezeiten: Wie können Künstler*innen, Communities und Publikum auf alternative und effektive Weise zusammengebracht werden, sowohl lokal als auch überregional. Ausgehend von den jüngsten Erfahrungen mit künstlerischer Programmgestaltung in Südafrika, im Iran und in Hongkong werden die eingeladenen Gäste verschiedene Ansätze für die Organisation und Präsentation von Performance-Veranstaltungen diskutieren. Ausserdem wird es um neue Perspektiven auf Möglichkeiten des internationalen Austauschs und der Zusammenarbeit in den Performing Arts in Krisenzeiten und darüber hinaus gehen.
Fr., 28. August, 14:00-15:30 (GMT +2)
Im Gespräch: Lázaro Gabino Rodríguez (Lagartijas Tiradas al Sol, Mexico City), Isabelle Stoffel (Theatermnacherin, Zürich), Torsten Michaelsen (LIGNA, Hamburg), Maryam Bagheri Nesami (Tänzerin und Wissenschaftlerin, Auckland), Mamela Nyamza (Choreografin, Cape Town)
Moderation: Ogutu Muraya (Autor und Theatermacher, Nairobi)
Aufgrund stark eingeschränkter internationaler Mobilität haben Künstler*innen heute weniger Möglichkeiten denn je, sich «im wirklichen Leben» sowohl mit ihrem Publikum als auch mit ihren Kolleg*innen zu treffen. Der künstlerische Austausch und die Zusammenarbeit über Kontinente und geografische Distanzen hinweg ist vorübergehend zum Erliegen gekommen oder ganz in die digitale Sphäre abgewandert. In diesem Gespräch zwischen Beteiligten an zwei verschiedenen künstlerischen Projekten, welche in den letzten Monaten in transkontinentaler Zusammenarbeit entstanden sind, geht es um Erfahrungen des künstlerischen Schaffens über Distanzen hinweg und um die Implikationen des Imaginierens anderer Realitäten, anderer Orte und auch eines Publikums anderswo. Zusammen mit Isabelle Stoffel hat das Theaterkollektiv Lagartijas tiradas al Sol das Hörerlebnis «Una muerte de la que nadie habla» für Zuhörer*innen am Zürichsee geschaffen. Das Radiokunstkollektiv LIGNA hat 13 Choreograf*innen und Performancekünstler*innen aus verschiedenen Ländern für das internationale Radioballett «Zerstreuung überall!» eingeladen, das im öffentlichen Raum zu erleben ist.
Fr., 28. August, 16:00-17:30 (GMT +2)
Im Gespräch: Arundhati Ghosh (Gechäftsführung India Foundation for the Arts Bengaluru), Heba Hage-Felder (Arab Fund for Art and Culture, Beirut - tbc), Dea Vidović (Leitung Kultura Nova Foundation, Zagreb)
Moderation: Marie Le Sourd (Generalsekretärin On the Move, Brussels)
Die radikal veränderten Bedingungen für die Produktion und Präsentation in den Performing Arts haben sofort die Frage nach neuen Modellen zur Unterstützung der des künstlerischen Sektors aufgeworfen, welche auf die finanziellen Schwierigkeiten reagieren, in denen sich Kunstschaffende derzeit aufgrund von Arbeitsausfällen befinden. Einige Produktionen laufen unter strukturellen Bedingungen, die in hohem Masse von internationalem Austausch abhängig sind, welcher in den kommenden Monaten aber kaum realisierbar sein wird. Dieses Gespräch wird sich mit den dringenden Bedürfnissen von Kunstschaffenden befassen, mit der Entwicklung geeigneter Finanzierungsprogramme sowie mit anderen kulturpolitischen Instrumenten und konkreten Strategien für eine nachhaltigere Zusammenarbeit unter diesen beispiellosen Bedingungen. Das Thema der internationalen Zusammenarbeit wird im Rahmen … auch unter dem Gesichtspunkt eines sinnvollen Austauschs über die aktuellen Situationen in verschiedenen Regionen der Welt behandelt. Ein besseres Verständnis dessen ist grundlegend für die Stärkung der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit.
Sa., 29. August, 14:00-15:00 (GMT +2)
Moderation: Judith Knight (Produzentin, London)
Im Gespräch: Sibylle Peters (Performancekünstlerin und Wissenschaftlerin, Hamburg), Akira Takayama (Theatermacher, Saitama)
Die Performing Arts basieren auf physisch geteilter Präsenz. Sie finden zumeist in der direkten Begegnung mit einem Publikum statt, oft versammelt in einem Theaterraum. Sie erzeugen, verhandeln und kultivieren Formen der Versammlung und ermöglichen unwahrscheinliche Begegnungen. Es sind Momente von entscheidender Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt und den kulturellen Austausch, die nicht einfach in andere Kommunikationsmittel übersetzt werden können und über Entfernungen schwer zu vermitteln sind. Physische Distanzierung und Isolation stellen Künstler*innen, die partizipatorische oder gemeinschaftsbasierte Performances machen, vor besonders grosse Herausforderungen. Angesichts radikal veränderter Bedingungen, die Versammlung sowohl als kulturelle als auch als politische Praxis einschränken, werden Sibylle Peters und Akira Takayama die Auswirkungen der derzeitigen Kontaktbeschränkungen auf ihre eigene Arbeit diskutieren und Möglichkeiten anderer Arten der Versammlung erörtern.
Sa., 29. August, 15:30-17:00 (GMT +2)
Im Gespräch: Alice Ripoll (Choreografin, Rio de Janeiro), Calixto Neto (Choreograf, Paris)
Moderation: Nayse Lopez (Journalistin und Leitung Panorama Festival, Rio of Janeiro)
Diese Session zeigt den Kurzfilm «About Questions, Shames and Scars» von Alice Ripoll & Cia REC und die Premiere der Videoperformance «Pro Futuro Quilombo» von Calixto Neto. Anschliessend daran sprechen die Künstler*innen über ihre Erfahrungen mit dem Leben und Arbeiten angesichts der neofaschistischen Regierung, des strukturellen Rassismus und des Coronavirus sowie der zunehmenden Bedrohung für BIPoC in Brasilien durch diese sich gegenseitig verstärkenden Krisen.
Diese künstlerischen Präsentationen sind Teil von «Brazil Hijacked», einer Reihe von Ausstellungen, Videoperformances, Filmen und Vorträgen, welche den derzeit in Brasilien stattfindenden Prozess der Zerstörung von Kultur und zeitgenössischem Denken in den blick nimmt. Zu diesem Zweck werden brasilianische Künstler*innen und Kulturaktivist*innen eingeladen darüber zu sprechen, wie das neo-faschistische Projekt der Regierung Bolsonaro ihr Leben, ihre Träume und ihre Zukunft beeinflusst. Brazil Hijacked wurde für das Antic Teatre / Festival Grec Barcelona 2020 von den unabhängigen Kurator*innen Eduardo Bonito und Isabel Ferreira ins Leben gerufen. Die präsentierten Videoarbeiten sind eine Koproduktion von Zürcher Theater Spektakel und Tanz im August.
Sa., 29. August, 17:30-18:00 (GMT +2)
Wrap-up: Marta Keil (Kuratorin, Warschau)
In dieser abschliessenden Sitzung wird die Kuratorin Marta Keil, die die gesamte Konferenz begleiten wird, einige der wichtigsten Erkenntnisse und Eindrücke zusammenfassen, um das gemeinsame Nachdenken über zukünftige Entwicklungen im Kontext der diskutierten Themen fortzusetzen.
Kuration | Maria Rößler und Ana Letunić |
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Bild | Studio Marcus Kraft |
Eine gemeinsame Veranstaltung von Tanz im August / HAU Hebbel am Ufer und Zürcher Theater Spektakel
Englisch
Aktive Teilnahme via Zoom: Link für Anmeldung bei den jeweiligen Programmpunkten auf dieser Seite. Es gibt keinen Anmeldeschluss; Anmeldung ist auch nach Veranstaltungsbeginn noch möglich.
Passive Teilnahme: Ein Video-Stream wird jeweils 15 Minuten vor Veranstaltungsbeginn hier aktiviert.
Bitte beachten Sie: Zugang nur während Festival möglich.
Die Durchführung der Online-Konferenz wird unterstützt von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. In Kooperation mit der Kulturstiftung des Bundes.
Dieses digitale Angebot wird im Player von SPECTYOU gezeigt.